Biowein, Bio-dynamischer Wein, Naturwein, Orange Wine: alles in einem Topf?

Der Winzer arbeitet mit der Natur. Er kultiviert Reben, erntet die Trauben und macht daraus Wein. Ganz natürlich eben. Aber arbeitet er auch automatisch ökologisch?

Seit Jahrzehnten lernen und praktizieren die Winzer ein Weinbau und eine Weinproduktion, die sehr technisch ausgerichtet ist. Alles muss unter Kontrolle sein. Rebsorten werden neu gezüchtet, die Pflanzenernährung wird über Mineraldünger gewährleistet, die Krankheiten mit hochentwickelten chemisch-synthetischen Spritzmitteln bekämpft. Die chemische Industrie freut sich, während die negativen Auswirkungen auf das Ökosystem im Weinberg nicht berücksichtigt werden.

Wein kann heute leichter in großen Mengen und ohne offensichtliche Fehler produziert werden als jemals zuvor. Der finanzielle Anreiz ist klar: größere Mengen zu geringeren Kosten. Im Keller ist der Einsatz von Enzymen weit verbreitet, Gärkontrolle mittels Reinzuchthefen und Temperatursteuerung ist die Regel. Die Weine werden geklärt, geschönt und filtriert, um ein konstantes und haltbares Produkt zu erzeugen. Das erwartet der Verbraucher auch so. Dieses beschriebene Szenario ist vollkommen normal, fast alle Weine werden so erzeugt.

Also, technisch einwandfreie Weine. Ist das alles? Immer mehr Winzer fragen sich, ob sie auf dem richtigen Weg sind. Die Weinberge sind ihr wichtigstes Kapital und sie wollen das bewahren. Immer mehr realisieren, dass das mit einer ökologischen Produktion eher funktioniert, als mit technischen Hochleistungsmethoden. Zurück zu einer einfachen, weniger technischen Produktion. Sie ist zwar einfacher aber oft aufwendiger, kostet mehr Zeit, erfordert ein vorausschauendes Arbeiten und man muss auf die Natur achten.


Biologischer Weinbau.

Bis zum Jahrgang 2012 gab es genau genommen gar keinen “Biowein”. Es gab lediglich “Wein aus Trauben aus ökologischem Anbau". Seit 2012 hat die EU den kellertechnischen Ausbau von Bio-Weinen geregelt. Nach diesen Vorgaben produzierte Weine können als Öko-Wein oder Bio-Wein bezeichnet werden. Zu erkennen sind sie an dem neuen EU-Gemeinschaftslogo.

Was unterscheidet einen Biowein von einem konventionell erzeugten? Die Differenz liegt primär in der Beurteilung und Wertschätzung des Weinbergs. Für den konventionellen Weinbau wird er im Grunde ausschließlich als Entstehungsort des Weines verstanden. Alles, was diesem Ziel nicht förderlich zu sein scheint, wird eliminiert. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist erlaubt. Um ihre Rebstöcke zu schützen und Erträge zu maximieren, nehmen diese Winzer in Kauf, dass Flora und Fauna in ihrem Weinberg zerstört werden. Der Grundgedanke, der dem ökologischen Weinbau zu Grunde liegt, ist die Herstellung oder Bewahrung eines Ökosystems „Weinberg“. Es besteht immer ein Gleichgewicht zwischen sog. Nützlingen und Schädlingen. Alle Pflanzen und Tiere geben sich gegenseitig Raum, nutzen sich gegenseitig, halten sich aber auch in Schach. Bewahren ein ökologisches Gleichgewicht, das das System am Leben hält. Genau ein solches System versucht der Ökowinzer in seinem Weinberg zu realisieren.

Der Boden ist das Herzstück dieses Systems. Er gibt den Pflanzen Halt. Er speichert Luft, Wasser und Nährstoffe und stellt diese wesentlichen Elemente der Pflanze zur Verfügung. Der Boden ist nicht vermehrbar, deswegen hat der Winzer größtes Interesse daran, dass seine Böden intakt und gesund sind. Der Boden ist alles andere als tot! In einer Hand voll Boden finden wir mehr Organismen als Menschen auf der Erde! In einem intakten Ökosystem ist die Pflanzenernährung auf natürliche Art und Weise sicher gestellt. Wenn wir dem System jedoch etwas entnehmen, entziehen wir ihm auch Nährstoffe, die wir wieder hinzufügen müssen. Dies geschieht durch Düngung. Im Ökologischen Weinbau wird überwiegend mit tierischen und pflanzlichen Abfällen bzw. mit Kompost gedüngt. Die Düngung mit synthetisch hergestellten Mineraldüngern wird abgelehnt und ist verboten.

Unkräuter im Weinberg werden ausschließlich mechanisch, das heißt ohne chemische Herbizide entfernt. Um das Bodenleben und die Artenvielfalt in den Weinbergen so aktiv wie möglich zu erhalten, werden außerdem alle ökologisch bewirtschafteten Weinberge zwischen den Rebzeilen mit verschiedensten Pflanzen begrünt. Leguminosen, also Hülsenfrüchtler wie Klee, Lupinen oder Wicken gehören zu den besten Partnern der Reben. Ihre kräftigen, tief reichenden Wurzeln stabilisieren und lockern den Boden, sorgen für gute Durchlüftung und lenken so die Aktivität der Mikroorganismen weit in den Unterboden.

Einer der sensibelsten Bereiche im Weinbau ist der Schutz vor Rebkrankheiten. Diese stellen die größte wirtschaftliche Gefahr für den Winzer dar. Natürlich gehören sie auch in ein ökologisches Gleichgewicht. Ihr verstärktes Auftreten ist letztlich nur das Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung ist und von der Natur wieder ins Gleichgewicht gebracht werden muss. In der Regel werden nur reiner Schwefel und Kupfer gegen Pilzkrankheiten eingesetzt. An Stelle von Schwefel wird in letzter Zeit sogar häufig schon erfolgreich Backpulver (Natriumbikarbonat) verwendet.

Wie im Weinberg ist auch in der ökologischen Kellerwirtschaft das Ziel, mit möglichst wenigen technischen Hilfsmitteln und Zusatzstoffen eine optimale Weinqualität zu erzeugen. Das Thema Sulfite ist sehr umstritten. Soll Biowein weniger Sulfit enthalten als konventioneller Wein? Daran scheiden sich die Geister. Mit einem ausgehandelten Kompromiss hat man nun die Sulfit-Grenzwerte gesenkt. Was nicht automatisch heißt, dass Biowein wirklich weniger Sulfit enthält! Erwähnenswert ist auch, dass schweflige Säuren, also Sulfite, bei der Vergärung auf natürliche Weise entstehen. Sulfit in der Weinbereitung schützt vor Oxidation und dient der mikrobiologischen Stabilisierung. Ohne den Einsatz von Sulfit würden unsere Weine ganz anders schmecken und es bestünde bei vielen Weinen die Gefahr der Nachgärung. Die eingesetzten Mengen sind gesundheitlich vollkommen unbedenklich und im Vergleich zu anderen Lebensmittel ziemlich gering.

Die Arbeit für einen Biowinzer ist aufwändiger und riskanter. Durch den Verzicht auf anorganische präventive Mittel ist die händische Arbeit und die Betreuung des einzelnen Rebstocks mit erheblich mehr Arbeitsstunden verbunden. So ist zum Beispiel das Risiko eines Ernteverlustes in Jahren mit viel Feuchtigkeit und hohem Pilzdruck signifikant höher. Es gibt viele Winzer, die biologisch arbeiten (oft auch biodynamisch) aber keine behördliche Zertifizierung besitzen. Deshalb ist es wichtig, die Philosophie des Herstellers zu kennen.

Bio-dynamischer Weinbau.

Eine besondere Form des biologischen Weinbaus ist der bio-dynamische Weinbau. Das Ideal ist die Kreislaufwirtschaft: Der Hof wird zu einem einzigartigen Organismus, in dem jedes Organ das andere braucht: Mensch, Pflanze, Tier und Boden wirken zusammen. Die Naturprozesse auf seinem Land ordnet und harmonisiert der Erzeuger mit Hilfe biodynamischer Präparate. Die Arbeiten in Weinberg und Keller werden, wenn möglich, an den kosmischen Rhythmen ausgerichtet. Das heißt in erster Linie den Einfluss des Mondes zu berücksichtigen. Die Stärkung der Widerstandskraft der Rebe und ihrer natürlichen Umgebung steht im Vordergrund. Die Philosophie dahinter: sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgehen und die Landschaft bewusst und nachhaltig gestalten. Dabei leisten biodynamische Winzer erheblich mehr als die Mindeststandards des EU-Bio-Siegels vorschreiben. Darüber hinaus erlaubt die EU-Bio-Verordnung noch Zusatzstoffe, die bei bio-dynamischem Weinbau tabu sind.

Ein Wein mit bio-dynamischer Zertifizierung ist mit Sicherheit auch biologisch, während ein Bio-Wein nicht unbedingt bio-dynamisch sein muss.

Die Düngung mit Kompost spielt in der bio-dynamischen Wirtschaftsweise eine sehr wichtige Rolle. Bei der Bereitung werden zur besseren Entwicklung und Aktivierung des Kompostes bestimmte Substanzen, sogenannte Präparate, zugesetzt. Diese sind vitalisierende Zubereitungen für Boden und Pflanzen. Für ihre Herstellung werden pflanzliche, mineralische und tierische Substanzen kombiniert. Die Kompostpräparate werden aus den Heilpflanzen Schafgarbe, Kamille, Brennnessel, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian hergestellt.

Die Feldpräparate werden zu bestimmten Zeiten des landwirtschaftlichen Jahres im Weinberg eingesetzt. Die beiden wichtigsten Präparate sind Hornmist und Hornkiesel. Das Hornmistprärarat soll Bodenfruchtbarkeit, Humusbildung, Speicherfähigkeit und Einlagerungsprozesse unterstützen. Das Hornkieselpräparat harmonisiert Wachstumsprozesse, fördert viele Abläufe, wie Photosynthese, Blattbildung, Reifeprozesse etc., erhöht aber auch die Widerstandskraft.

Erkennbar sind bio-dynamisch erzeugte Weine am Siegel des jeweiligen Verbands, der die Vorgaben für biologisch-dynamischen Land- und Weinbau definiert. Die bekanntesten sind Demeter, Respekt-Biodyn und Biodyvin.


Was ist Naturwein?

Die Bezeichnung "Naturwein" ist nicht gesetzlich geschützt oder geregelt. Und was unter Naturwein, natural wine oder vin naturel im normalen Sprachgebrauch verstanden wird, ist extrem vielfältig und oft genug Gegenstand von Diskussionen. Ein Versuch Naturwein zu beschreiben, wäre zu sagen, dass es Wein in seiner reinsten Form ist. Ohne Chemie, ohne Make-up. Ein Wunsch, so nah wie möglich an der Natur zu sein und diese in die Flasche zu zaubern. Hinter anderen Entscheidungen steht oft der Wille, eine bestimmte Rebsorte, den Boden oder den Jahrgang möglichst authentisch ins Glas zu bringen.

Wein ist per se nicht natürlich. Er kommt nicht direkt aus der Natur. Ohne menschliches Zutun wäre es unmöglich, Wein zu erzeugen. Es ist aber gerade die Philosophie der Naturweine, Weine mit einem Minimum an menschlichen Eingriffen zu produzieren. Es handelt sich dabei um eine Bewegung in ihrer pursten Form, die ihren Ursprung in der Natur hat.

In Georgien werden Naturweine seit 8000 Jahren angebaut. Die Trauben werden einfach gepresst und zu Wein vergoren. Also, keine Reinzuchthefen, Enzymen oder Kellertechnik. Naturwein an sich ist also nichts Neues. Die Naturweinbewegung jedoch schon. In diesem Sinne sollte es nicht als Trend betrachtet werden – sondern als Rückkehr zum Ursprung!

Wie wird Naturwein hergestellt?

Biologischer oder bio-dynamischer Anbau, ob nun zertifiziert oder nicht, sind zwar Grundvoraussetzungen für Naturwein. Alle Naturwinzer setzen auf die Handlese, damit nur die allerbesten Trauben im Fass landen. Die Gärung setzt bei Naturwein spontan ein. Wilde Hefen, die im Weinberg und im Keller natürlich vorkommen, sind dafür verantwortlich. Natürliche Hefen arbeiten allerdings weniger berechenbar als Zuchthefen. Die Aromen, die sie produzieren, sind nicht steuerbar. Verzicht auf (oder nur minimale) Filtration: das erklärt das trübe Aussehen und den Geschmack des Naturweins. Keine künstliche Verfahren, wie Schönungsmittel, sodass der Wein Enzyme, Proteine und andere Stoffe bis zum Schluss enthält. Der Einsatz von Schwefel sollte entweder ganz unterbleiben oder zumindest minimal bleiben. Der Ausbau sollte in Gefäßen aus natürlichen Materialen erfolgen. Also Holz, Ton oder Beton.

Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass ohne große Eingriffe das Risiko erhöht wird, Fehler im Wein zu finden. Naturwein bedeutet also mehr als einfach den Verzicht auf bestimmte Verfahren. Er bedeutet entschieden mehr Arbeit im Weinberg und viel Erfahrung des Winzers.

Wie schmeckt Naturwein?

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass Naturweine weniger fruchtig daherkommen und ihr Aromaprofil mehr von Hefe geprägt ist als bei einem konventionellen Wein. Naturwein riecht oft ganz anders, als er dann im Mund schmeckt. Weißwein kann nach Apfelmost riechen und schmecken, hat ganz leichte bis stärkere oxidative Noten, Jod, hefige Töne, auch tee-artige Tannine. Bei Rotwein schmecken wir öfter eine erdige Richtung: Kräuter, Blätter, Unterholz. Auch animalische Noten, wie Stall oder Fleisch werden assoziiert. Bei der Entstehung sind Naturweine weitgehend sich selbst überlassen. Es ist deshalb keine Überraschung, dass es Unterschiede von Jahrgang zu Jahrgang gibt.

Naturwein = Biowein? Nein, ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Ein Naturwein sollte mindestens Bio-Richtlinien entsprechen. Immer. Doch nicht jeder Biowein ist ein Naturwein. Zum Naturwein gehört noch mehr dazu.

Diese Weinkategorie bleibt umstritten, viele Weinkritiker und Experten sind nicht einig. Aber die Frage, wo die Grenze zwischen natürlicher und gewollter Weinbereitung verläuft, was tolerierbar ist und was nicht, diese Grenze zieht fast jeder Winzer für sich und seinen Wein anders. Und damit auch jeder Weintrinker.


Und Orange Wine?

Das ist die vierte Weinfarbe und erlebt gerade wieder einen Hype. Eine kurze und knappe Definition wäre: Maischevergorener Weißwein. Oder: ein Weißwein, der wie ein Rotwein hergestellt wird. Durch das verlängerte Maischverfahren lösen sich mehr Farbstoffe und Tannine (Gerbstoffe) aus der Schale und gehen in den Wein über, was für die typische Farbe und den adstringierendes Mundgefühl sorgt. Durch den oxidativen Ausbau wird die Farbe noch verstärkt und dreht ins braune bzw. orange. Als Behältnis werden oft alternative Materialen eingesetzt wie Amphoren oder Beton oder kleinere Holzgebinde.

Das Spannende am Orange Wine ist, dass er in Farbe, Geschmack und Geruch sehr unterschiedlich sein kann. Bei den Meinungen scheiden sich jedenfalls die Geister. Die einen schätzen seinen komplexen Charakter, die anderen können mit dem einzigartigen, aber auch polarisierenden Geschmack überhaupt nichts anfangen.

Orange Wines werden oft fälschlicherweise als Synonym zu Naturweinen verwendet. Es handelt sich beim Naturwein um einen Wein, der mit geringstmöglichem Eingriff des Winzers hergestellt wird. Beim Orange Wine hingegen geht es um eine spezielle Weinbereitungstechnik. Orange Wine kann auch aus konventionellem Anbau stammen! Das Problem ist nur, niemand hat das klar definiert. Grund für diese Verwechslung ist der wohl fehlende Eintrag im Weingesetz. Wahrscheinlich verschwimmen genau aus diesem Grund die Grenzen zwischen den genannten Begriffen.



Simone Bartolini

 

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