Weinregion Emilia-Romagna: Viel mehr als Lambrusco.

Geographisch gesehen liegt die Emilia-Romagna mit der Hauptstadt Bologna im nördlichen Mittelitalien. Sie erstreckt sich von den Stränden der Adriaküste über die Po-Ebene und die hügeligen Zonen mit ihren Thermen bis zu den grünen Hängen des Apennins. Die Region ist aus dem Zusammenschluss verschiedener, sich gegenseitig ergänzender Territorien, entstanden. Die Geschichte des Weinbaus in der Emilia-Romagna geht bis in die Etruskerzeit zurück – das bestätigen Funde bei Faenza. Mit gut 51.000 Hektar Rebfläche zählt die Emilia-Romagna zu den grossen Weinlieferanten des Landes. Rotwein und Rosé ergeben etwas mehr als die Hälfte der Gesamtproduktion, der Anteil der Weißweine ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Kulinarisch zählt die Emilia im Westen zu den bekanntesten Gebieten, so steht Bologna für die beliebteste Pasta-Sauce, das Ragú alla bolognese, für Mortadella und Tortellini. Im Raum von Modena wird der echte Aceto Balsamico nach jahrhundertealter Tradition produziert. Unbestrittener kulinarischer Protagonist in Parma ist der weltbekannte Parmaschinken, der zusammen mit dem Parmesan ein Aushängeschild der italienischen Gastronomie ist. Doch wer meint, in der Emilia würde nur geschlemmt, sollte wissen: auch Gelehrten bietet sie ein Zuhause: In Bologna steht die älteste Universität Europas. Nicht nur den Liebhabern der Kulinarik, auch für Motoren- und Technikbegeisterte hat die Emilia einiges zu bieten: ob Ferrari in Maranello, Maserati in Modena oder Lamborghini in Sant’Agata Bolognese ebenso wie der Zweiradhersteller Ducati in Borgo Panigale, einem Stadtteil Bolognas.

Die Romagna hingegen, die sich südlich von Bologna bis zur Adria erstreckt, ist seit jeher ein Synonym für Meer und Vergnügen. Aber sie ist auch noch mehr als die lebendigen und bunten Strände, mit ihren bezaubernden Hügeldörfern im Hinterland von Forlì, Cesena und Rimini, den antiken gastronomischen Traditionen, den Sport- und Wellness-Angeboten und der Stadt der Mosaiken, Ravenna, mit acht UNESCO-Weltkulturerbe-Denkmälern. All das macht die Romagna zu einem Land, in dem es viel zu entdecken gibt. Die Küche der Romagna ist sehr vielfältig: von den berühmten Eier-Nudeln, über Trüffel, Steinpilze und Höhlenkäse bis hin zu Bratwurst, Lamm und Fischspezialitäten, die Liste ist endlos. Nicht zu vergessen die berühmte Piadina, eine Art Fladenbrot, das an jeder Straßenecke erhältlich ist.

Klimatisch gehört die Emilia-Romagna zur warmgemäßigten Klimazone, die Übergangsjahreszeiten sind größtenteils warm und sonnig, im Sommer können die Temperaturen auf 38 °C steigen. Die Region weist jedoch für italienische Verhältnisse relativ kühle Winter auf. Zwischen November und Februar gibt es häufig leichten Froste. In der Romagna ist das Klima mild, mediterran, beeinflusst durch die Adria-Küste zwischen Ravenna und Rimini.

Die Region wird in zwei Teile gegliedert. Im Osten liegt die Romagna, in der vor allem Rotweine aus der Sorte Sangiovese gekeltert werden. Aus dieser Gegend stammt auch der Albana die Romagna, der erste DOCG-klassifizierte Weißwein Italiens. Die Emilia dagegen bildet den westlichen Teil des Anbaugebietes. Dort dominiert die Sorte Lambrusco, die süffige und jung zu trinkende Weine ergibt. Emilia und Romagna werden sehr oft als geografische Einheit betrachtet, dabei sind sie völlig unterschiedlich in ihrer Geschichte, den Traditionen und auch im Weinbau.

Wein in Emilia.

Der Weinbau in Emilia ist bekannt für die großen Mengen und den einfachen Geschmack der erzeugten Weine, geeignet für den täglichen Bedarf. Überall gibt es eine Qualitätssteigerung, sodass wir in Zukunft mit angenehmen Überraschungen rechnen können, d.h. mit guten Weinen zum richtigen Preis.

In der Ebene wachsen die Trauben auf tiefgründigen, fruchtbaren Schwemmlandböden, wo farbenfrohe Weine entstehen, die aber nicht über große Struktur und Langlebigkeit verfügen. Das Klima ist, wie überall in der Po-Ebene, sehr feucht, was sich häufig in dichtem Nebel zeigt. Das Berg- und Hügelland umfasst die Nordseite des toskanisch-emilianischen Apennins. Hier sind die Böden karger - sie bestehen je nach Lage aus Verwitterungsgestein und rotem Lehm - und das Klima ist als Folge der Luftzirkulation trockener. Hier sind die Voraussetzungen optimal, um ausgezeichnete Weine zu erzeugen.

Besonders erfreulich ist das wieder gestiegene Interesse am Lambrusco, dessen Hochburg in den Provinzen Modena und Reggio Emilia liegt. Vor 30 bis 40 Jahren war Lambrusco vorwiegend ein perlender, süßer Wein, der für italienisches Dolce Vita stand. Ganz im Stillen begannen jedoch immer mehr Qualitätswinzer auf den Facettenreichtum des Lambrusco zu setzen. Oder besser: der Lambruschi, denn die Traubenfamilie umfasst so unterschiedliche Typen wie Sorbara, Grasparossa und Salamino (um nur einige zu nennen), die genauso unterschiedliche Weine hervorbringen. Vom flaschenvergorenen Rifermentato über Schaumwein aus dem Drucktank bis zu einem nach der traditionellen Flaschengärung als Rosé produzierten Metodo Classico reicht die Palette.

Grasparossa di Castelvetro wird südlich von Modena an den sanften Hängen am Nordrand des Apennin-Gebirges angebaut. Die kleinbeerige Grasparossa sorgt für potentere Weine als der größere Lambrusco-Typus in den DOC-Gebieten Sorbara oder Salamino di Santa Croce. Die Sorbara-Spielart gilt als die eleganteste Version eines Lambrusco: die Weine daraus sind fragiler, duftiger und knackiger als die aus Grasparossa oder Salamino. Dazu trägt auch das besondere Terroir bei. Auf den sandigen Böden an den Flüssen Secchia und Panaro gedeiht die Traube hervorragend. Sorbara und Grasparossa sind die bekanntesten Rebvarianten, Salamino ist jedoch am meisten angebaut, vor allem in der Ebene, wo sie einen frischen Wein von intensiver Farbe und Noten von Himbeeren, Heidelbeeren und Kirschen verleiht. Lambrusco wird sortenrein oder mit einem kleinen Anteil Ancellotta-Trauben gekeltert. Ancellotta sorgt vor allem für die tiefrote Farbe des Weines.

Es muss nicht immer prickeln! An der Grenze zur Lombardei, im Nordwesten der Region, werden auch Rotweine (Gutturnio) aus den Sorten Barbera und Croatina gekeltert, die oft erstaunlich viel Körper und Tiefe aufweisen. In der Regel sind es aber jung zu trinkende Rotweine, mit Aromen von Waldfrüchten und roten Blüten, ausgezeichneter Frische und moderater Tannine.

In der Provinz Piacenza wächst die Bedeutung des Pinot Nero, der sowohl als Rotwein als auch als Weißwein gekeltert wird, im letzteren Fall vor allem für die Herstellung von Sekt nach klassischer Methode. In dieser Gegend ist auch die weiße Sorte Malvasia di Candia aromatica verbreitet, die oft für die Herstellung von Dessertweinen sowie für faszinierende trockene Weine verwendet wird.

Sauvignon blanc ist die am weitesten verbreitete internationale weiße Rebsorte, vor allem in den Provinzen Bologna und Reggio Emilia, wo sie elegante Weine mit einem Hauch von Zitrusfrüchten und Tomatenblättern hervorbringt.

Die Gegend von Bologna ist von der benachbarten Romagna beeinflusst, da die am weitesten verbreitete Rebsorte Sangiovese ist. In den hügeligen Gebieten gibt es auch internationale Rebsorten wie Chardonnay, Pinot Blanc und Sauvignon. Aus den kalkhaltigen Böden entsteht Cabernet Sauvignon mit ausgezeichneter Struktur, mit Aromen von Brombeeren und Gras. In diesem Gebiet ist das Aushängeschild jedoch der Pignoletto, der für die Herstellung von Perl- und Schaumweinen verwendet wird, die nach Rose und Akazie, Äpfeln und Ananas duften.

 

Wein in Romagna.

Unter der scheinbaren Unbeweglichkeit dieser Weinregion lagern unerwartete Energien. Die Weinszene in der Romagna hat in den letzten zwei Jahrzehnten tiefgreifende Veränderungen erfahren, die das Qualitätsniveau deutlich angehoben haben. Man muss unterscheiden zwischen dem Weinbau in der Ebene nördlich der Via Emilia, wo Massenweine vor allem aus Trebbiano hergestellt werden, und dem Weinbau in den Hügeln, der sich im Süden entwickelt, wo der Sangiovese und Albana die wahren Protagonisten sind. Das ist eine bunte Weinwelt, in der kleine Winzer, die handwerklich arbeiten, und große Genossenschaften nebeneinander existieren. Erstaunlicherweise findet man immer öfter leckere Roséweine.

Was für die Bewohner der Emilia ihr Lambrusco ist, das ist für die Einwohner der Romagna der Sangiovese. Lange Zeit stand er im Schatten des großen Bruders aus der Toskana. Seit eine neue Generation junger Winzer existiert, ändert sich das gewaltig. Die Reben dehnen sich in dem weitläufigen Gebiet von Imola bis zur Adriaküste aus, einer sanft gewellten Reblandschaft, von milden Winden umweht, mit lehmigen, sandigen und kalkreichen Böden.

Besonders in der weiteren Umgebung der Städte Faenza und Forlí liefert die Rebsorte Sangiovese ihre besten Ergebnisse. In diesem Gebiet kann sie ihr Potential zum Ausdruck bringen, mit Düften von Veilchen und Beeren, die nach der Entwicklung mit gerösteten und würzigen Noten angereichert werden. Güter wie Fattoria Zerbina, Tre Monti, Drei Donà, Villa Papiano oder Fattoria Nicolucci haben schon lange bewiesen, welches Potenzial die Sangiovese-Traube hier besitzt, aber auf die Besonderheiten des vielfältigen Terroirs der Romagna legt man erst seit der Lese 2011 ein besonderes Augenmerk. In diesem Jahr wurde nach einer ausgiebigen Vermessung und Einteilung der Rebberge ein Dutzend Unterzonen des Romagna Sangiovese festgelegt.

Überraschend oft wachsen die Reben auf dem Buschbäumchen, dem traditionellen Alberello. Viele Winzer sind überzeugt, der Alberello bringe die besten Ergebnisse, da die Sonne die Trauben rundherum bescheinen kann und sie besser ausreifen können. Der Sangiovese di Romagna ist im Geschmack eigenständig und nur entfernt mit den Weinen des Chianti vergleichbar. Früher haben die Winzer versucht, eine Kopie der großen Sangiovese der Toskana zu produzieren, unter Einsatz von Holz und mit viel Extrakt. Das ist nicht der Sangiovese, wie er typisch ist für die Romagna. Es ist vor allem die Frische, die diese Weine ausmacht; der Romagna Sangiovese lebt vom Duft, der Säure und den jugendlichen Tanninen.

In den Hügeln von Rimini zeichnet sich der Sangiovese vor allem durch seine intensive Farbe, seinen vollen Körper sowie seine Tanninstruktur aus, die ihm Reifungspotenzial verleihen. Hier werden auch gute Merlot und Cabernet Sauvignon produziert, dank Trauben, die in diesen Gebieten eine ideale phenolische Reife erreichen und intensive Fruchtnoten, sehr zarte Kräuternoten, elegante Tannine und gute Struktur aufweisen.

Ein zweiter Wein, der den Romagnoli am Herzen liegt, ist der hierzulande wenig bekannte Albana di Romagna. Die weiße Rebsorte Albana ist eine einheimische Sorte, die ausschließlich in der Romagna angebaut wird. Ihre Herkunft konnte noch nicht abschließend geklärt werden, sie ist aber mit der Sorte Garganega im Veneto verwandt. Albana selbst kann gehaltvolle, trockene Weine hervorbringen, daneben ist sie für die Erzeugung von Passito-Weinen bestens geeignet. Passito ist eine Spezialität der Romagna: ein Dessert-Wein aus edelfaulen Trauben. Albana ist für Vittorio Navacchia (Tre Monti) eine unterschätzte Größe. Seine Vitalba lässt er in der Amphore lange mazerieren. Die lange Mazeration gibt der Albana Charakter, ohne dass sie die Frische verliert.

Unter den einheimischen Rebsorten, die erwähnenswert sind, ist die rote Centesimino hervorzuheben, eine Nischenrebe, die zu intensiven und weichen Weinen mit blumigen und zart würzigen Noten führt. Internationale Rebsorten wie Chardonnay, Pinot Blanc oder Sauvignon sind seit langem auch hier angekommen, allerdings in sehr kleinem Anteil im Vergleich zu den lokalen Rebsorten.

Der Vollständigkeit halber muss ich sagen, dass es in der Emilia-Romagna viele andere Rebsorten gibt, einige davon sehr interessant, die aber nur lokale Bedeutung haben, weshalb sie hier nicht erwähnt werden.

 

Simone Bartolini

 

Jetzt Reservieren